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Ankatrins Erinnerungen – Kapitel 12

Diese Geschichte ist real. Wir haben die wundervolle Erlaubnis bekommen, die Erinnerungen einer guten Freundin veröffentlichen zu dürfen. Ein ganz, ganz lieber Dank und Gruß gehen an Ankatrin! (Text: Ankatrin G., Lektorat: Gaby K., Sandra S., Bilder: #WirHabenDieWahl).

Kapitel

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Polnische Einquartierung

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Unter britischer Führung haben im zweiten Weltkrieg auch polnische Truppen gedient. Einige dieser Einheiten waren auch nach dem Krieg in den Kasernen rund um Bad Schwartau stationiert. Für die Offiziere suchte man private Quartiere. Überall dort, wo noch keine offizielle Einquartierung stattgefunden hatte und irgendwie Raum zu schaffen war, wurden die Offiziere untergebracht.

Da meine Mutter und meine Tante offiziell mit uns Kindern allein war, wurde ihr mitgeteilt, dass sie mit den Kindern und ihrer Schwester in einem Raum schlafen könne, das Schlafzimmer meiner Eltern jedoch wurde zu einem Wohn-Schlaf-Zimmer für zwei polnische Offiziere umgestaltet. Einige der Flüchtlinge in unserer Wohnung fanden Quartier auf dem Dachboden, andere hatten woanders Unterkunft gefunden.

Den Dienstgrad des kleineren Polen weiß ich nicht mehr so genau. Ich kann mich nur an seinen Namen erinnern: ein Name, den eine berühmte Schauspielerin trägt, weshalb ich ihn hier auch nur verkürzt wiedergebe: Graf v.T. Bei uns hieß er ohnehin nur “der Graf”. Der andere Offizier war Hauptmann. Er war eben “der Hauptmann” – an seinen richtigen Namen habe ich keine Erinnerung. Der Hauptmann war im Gegensatz zum Grafen sehr groß. Er war jünger, dunkelhaarig und wirkte sehr stark. Wenn beide nebeneinander standen, erinnerten sie irgendwie an Pat und Patachon .

Beides waren sehr freundliche Männer, die wirklich versuchten, unser privates Leben durch ihre Anwesenheit nicht zu stören. Mit dem Grafen machte ich lange Spaziergänge durch unsere Wälder. Er sprach ganz leidlich deutsch und so erfuhr ich von seiner Familie in Polen und dass er eben auch Kinder habe. Vom Hauptmann weiß ich nicht das geringste aus seinem Privatleben. Das gibt mir heute das Gefühl, dass er durchaus der Zurückhaltendere von beiden gewesen sein muss.

Polnischer Besatzungssoldat

Alle Offiziere, die nicht in den Kasernen bei ihren Truppen untergebracht waren, bekamen wöchentliche Verpflegungsrationen, die sie auf irgendeinem Weg in ihre Quartiere schaffen mussten. Es dauerte nicht lange, da übernahmen mein Bruder und ich diese Aufgabe. Mit unserem “Bollerwagen” (ein Holzgefährt mit Deichsel, das man hinter sich herzog) marschierten wir auf der Autobahn zwischen Bad Schwartau und Lübeck zu den Vorwerker Kasernen, die man noch heute sieht, wenn man von Hamburg kommt, gleich nach der Ausfahrt Lübeck-Zentrum auf der linke Seite.

Vorwerker Kaserne

Hier holten wir die Verpflegung vom Grafen und dem Hauptmann ab und brachten sie mit unserem Bollerwagen heil nach Hause. Man muss sich das nur mal vorstellen: zwei Kinder marschieren mit einem Holzwagen über die Autobahn und weit und breit kein Auto!

Autobahn, ca. 1945

Im Anfang haben sich der Graf und der Hauptmann selbst beköstigt und sich ihre Mahlzeiten selbst bereitet. Gott sei Dank kamen sie dann wohl irgendwann auf die Idee, dass meine Mutter für sie kochen durfte, was nämlich eine enorme Aufbesserung unserer Ernährung bedeutete. Natürlich waren die Rationen der beiden nur für zwei ausgelegt, aber hat irgendjemand vielleicht heute noch eine Vorstellung davon, was man alles mit Resten veranstalten kann? Meine Mutter konnte es.

Deshalb war noch lange nicht Schluss mit der Fischpastete, in der man manchmal ganze Köpfe oder Fischaugen fand. Deshalb gab es natürlich noch immer Maisbrot , was sicherlich ganz ungewohnt für unseren deutschen Geschmack war – ich mochte es allerdings sehr gern. Meine Mutter hasste das Maisbrot, aber es blieb auch ihr keine Wahl. Und deshalb war auch nicht Schluss mit den Mengen an getrockneten Mohrrüben, aus denen man nicht nur Mittagsgerichte kochte, sondern sie auch zu Möhrenkuchen verarbeitete – übrigens ein heute wiederentdecktes Rezept.

Maisbrot

Und wieder drängt sich das Thema Essen in den Vordergrund. Diese ersten beiden Jahre – insbesondere natürlich 1945 – haben in meiner Erinnerung nicht im geringsten etwas mit Wiederaufbau, sondern fast ausschließlich mit Hunger und Überleben zu tun.

Aber natürlich kann man nicht leugnen, dass recht bald begonnen wurde, die Trümmer zu beseitigen, dass man wieder zur Normalität zurückzukehren versuchte, dass die Stadtkommandanten versuchten, wieder Dienststellen einzurichten, die für den Bürger da waren.

Hier bestand allerdings die Schwierigkeit darin, politisch unbedenkliche Menschen zu finden. Die Entnazifizierung war ja erst viele Jahre später abgeschlossen. Ich weiß, dass man am Anfang auf stadtbekannte ehemalige KP-Mitglieder zurückgegriffen hat, weil sie am unbedenklichsten erschienen. Heute würde man das wohl anders sehen.

* * * * *

Das war Kapitel 12

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© Copyright by ABGrundke seit 2017. Jede Verteilung, Vervielfältigung und gewerbliche Nutzung ist untersagt und muss von der Autorin ausdrücklich genehmigt werden. Erstveröffentlichung 2017 via Gaby Konradt und Kassandra von Troya ("Hand in Hand zur Menschlichkeit"). Zweite Fassung und Gestaltung 2021 #wirhabendiewahl

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